Der bayerische Löwe

Die Karikaturen auf dem „Weißblauen Galgenhumor“ befassten sich nur zum Teil mit Alltagsproblemen; großen Raum nahmen die Politik in Bayern und im Reich ein. Dabei gab Kneiß ab 1929 dem bayerischen Löwen immer mehr menschliche Züge: er bekam zuerst einen Trachtenhut, dann eine Virginia und zuletzt eine Lederhose, in der ein „Knicker“ (stehendes Messer) steckte. Nach 1933 verschwand dieser „Bayerische Löwe“ mehr und mehr aus den Zeichnungen; auch Bayern wurde „gleichgeschaltet“.

Vafluchtes Biest willste endlich mal durch den Reifen springen?

Diese beiden Bilder vom Dezember 1928 kennzeichnen den Kampf, den die Zentralgewalt in Berlin stets mit dem auf seine Eigenständigkeit beharrenden Freistaat Bayern führte. Die Ballonmütze des Dompteurs deutet auf eine SPD-geführte Regierung hin. Der Löwe hat hier noch nur einen Trachtenhut auf; eine Lederhose bekommt er erst ein Jahr später.

Der Löwe (brüllt den Reichsdompteur von seinem Sockel)
Der Bierpreis wurde, zum Schrecken der Bayern, immer mehr erhöht.

Unter Reichskanzler Hermann Müller (SPD) übernahm Rudolf Hilferding (SPD) 1928 wie zuvor schon 1923 das Amt des Finanzministers. Der Löwe bekam jetzt seine Lederhose, in der stets ein Knicker steckte!

Aa so aa richtigs Löwenvieh
Is nöt leicht zu dressiern,
Es knurrt und brüllt und hackelt
Und laßt sie nöt seckiern.

Da boarisch Löw is bsunders wild,
Der mog die Goaßl nöt,
Und wenn er aa sunst gmüatli is,
Des Tratzn is eahm z‘ blöd.

 

 

Des Liabste, was  er z’Saufen kriagt,
Des is des braune Bier,
Do hupft er glei zwoa Meta hoch,
Ja drei und viere schier.

Dös aba mirkst da, Reichsfinanz,
Ziagst du dein Strick z’weit nauf,
Na hört bei uns die Gmüatlichkeit
Und ’s Traatzn aa schnell auf.

Na fallt zuletzt de Tafel um,
Da Löw draat auf sein Schwanz,
Biersteuer konn uns gstohlen wern
Mit samt der Reichsfinanz.
D.(r) A.(dlmaier)

Das bayerische Finanzministerium ist verwaist

Fritz Schäffer (1888-1967) war vom 16. September 1931 bis 16. März 1933 mit der Führung der Geschäfte des bayerischen Finanzministeriums beauftragt. Unter Adenauer war er von 1949 bis 1957 wieder Finanzminister und wurde dadurch berühmt, dass er für den Staat ein Guthaben ansparen konnte, das man „Juliusturm“ nannte.

Die Verse „Als er Abschied nahm, waren Kisten und Kasten so schwer, weil er nicht wiederkam, war alles leer“ zitieren Friedrich Rückert (1788 – 1866): „Aus der Jugendzeit“, 3. Strophe.

 

 

Schäffer: Jetzt wenn hoit der Zauberer Schichtl vom Oktoberfest no lebn tät ...
Der letzte Maßkrug kommt ins Deutsche Museum

Am 1. Mai 1930 wurde durch das Kabinett Brüning I unter anderem auch die Biersteuer erhöht. Da man sich nun eine ganze Maß nicht mehr leisten konnte, ließ Emil Kneiß den Maß-Krug in das fünf Jahre zuvor eröffnete Deutsche Museum bringen, begleitet vom Bayerischen Löwen, dem er Frack und Zylinder anzog. Am linken Bildrand erkennt man Oskar v. Miller, den Schöpfer des Museums; die drei Herren am rechten Bildrand sind wohl Karl Scharnagl, Heinrich Held und Fritz Schäffer. Die Ballonmützen der Blaskapelle und der Krugträger deuten darauf hin, dass die Steuererhöhung von der SPD toleriert wurde. Man beachte auch die Standarte des 1899 gegründeten „Vereins gegen betrügerisches Einschenken“!

Landtagskirta: Bavaria besucht zusammen mit dem Löwen den Landtag

Im Oktober 1930 wurde im bayerischen Landtag um den Etatausgleich gerungen; Dr. Heinrich Held, der Ministerpräsident, hatte seine liebe Mühe. Die Bavaria verließ ihren Platz und spazierte mit ihrem Löwen in den Landtag hinein, um dort zur Einigkeit zu mahnen. Der Löwe in Kneiß‘ Karikaturen ist also der Löwe, der zu Füßen der Bavaria sitzt!

Reichskanzler von Papen im Oktober 1932 zu Besuch in München

Der mit Notverordnungen regierende Reichskanzler von Papen kam im Oktober 1932 nach Bayern, mit der Absicht, um Verständnis für seine Sparpolitik zu werben. Er stieß allerdings auf wenig Gegenliebe, was der bayerische Löwe ausdrückt, auch wenn ihn Ministerpräsident Held, das Münchner Kindl und die freundlich lächelnde Bavaria dazu ermuntern.

Der bayerische Löwe verträgt die von Papen angebotene "förderalistische Wurst" nicht.

November 1932: Der bayerische Löwe verträgt die von Papen angebotene „förderalistische Wurst“ nicht. War „förderalistisch“ statt „föderalistisch“ ein Versehen oder wollte man ausdrücken, dass diese „Wurst“, die man Papen abgenommen hatte, für Bayern nicht „förderlich“ sein würde? Dieses Bild erregte ein gewisses Aufsehen, als es ein Leser in der Münchener Innenstadt öffentlich aushing. Nebenstehender Bericht stammt aus dem „Fürstenfeldbrucker Anzeiger“.

Zeitungsmeldung: "Galgenhumor" verursacht Menschenauflauf in München