Buchhalter Bimmerl lernt Radfahren

Als der 20-jährige Kneiß für den Radfahr-Humor 1887 zu zeichnen begann, war noch das Hochrad das Sportgerät schlechthin. Darum empfiehlt auch der Doktor dem Buchhalter Bimmerl, zum Erhalt seiner Gesundheit das Radfahren zu erlernen.

Mit diesen Hochrädern zu fahren erforderte allerdings einiges an sportlichem Geschick.

Buchhalter Bimmerl sitzt krummgebeugt am hohen Schreibpult

I.

„Herr Bimmerl,“ hat der Doktor gesagt, „Herr Bimmerl, wenn Sie immer so bucklig dasitzen bei Ihrer Arbeit, Herr Bimmerl, dann steh‘ ich für Nichts. Ihre Lunge ist durchaus nicht aus Gußstahl und die hektische Röthe auf der Nase – Herr Buchhalter Bimmerl, Sie müssen was thun!“

– „Soll ich noch mehr Emserwasser trinken, oder noch mehr Diät halten  – ich bin ja so schon so mager, daß ein Blitzableiter sich fett neben mir ausnimmt!“

– „Bewegung, Herr Bimmerl!“

– „Soll ich vielleicht Bergsteigen? Ich hab‘ keine Lust, mir das Bisserl Knochen auch noch zu brechen.“

– „Wissen Sie was, fahren Sie Velociped? – Ich stehe sonst für Nichts.“

– „Hm!“ – –

II.

Wirklich hat er angefangen die schwierige Kunst zu erlernen. Man sieht’s ihm an. Wie bolzgerad der Herr Buchhalter jetzt dasitzt.

„G’rad halten,“ hat der Lehrmeister immer geschrieen.

Dem Herrn Bimmerl thut freilich Alles weh, aber er hat doch ein Gefühl heut‘ als könnte er fliegen.

– Der Herr Doktor ist ein Mordskerl. Gleich hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. –

Stolz sieht der Herr Bimmerl an seinen Fortbewegungsapparaten hinab und meint beinahe, wo andere Leute die Waden haben, zeige sich bei ihm auch schon eine leichte Schwellung.

Herr Bimmerl sitzt kerzengerade an seinem Pult
Bimmerl nimmt das Lineal als Lenkstange

III.

„Heut‘ ist’s schon ein wenig allein gegangen. Nur ganz leise hat er mich gehalten. Zuerst beinahe gar nicht. Dann hat er mich ausgelassen und dann bin ich einmal allein um den Saal herumgekommen. Ganz allein, so! – Es ist ein herrliches Vergnügen!“

– Der Herr Buchhalter nimmt das Lineal als Lenkstange und zappelt auf seinem Drehstuhl, als wär‘ es ein Hometrainer. Und dabei lächelt er so süß, als schaute er in die lustigste Frühlingslandschaft hinein.

„Na warte, in ein paar Wochen soll die Sache ganz anders werden! Da fahr‘ ich aus. Und im Urlaub da mache ich eine Tour! Und wenn ich dann zurückkomme, braungebrannt und muskelstark, dann will ich sehen, ob die Nannerl mich auch noch über die Achsel ansieht und mich für ein Heupferd erklärt. Wer weiß, was dann kommt!“ –

IV.

„Wenn nur das Aufsteigen nicht so verflucht schwer wäre! Das braucht üben! Aber Übung wird schon noch den Meister machen! Am Ende kann man’s ja auch da probiren – die Bewegung ist die gleiche!“ –

Und der Herr Bimmerl mit seinem erfinderischen Geist construirt sich einen Apparat zum „Aufsteigen-Lernen“.

Der Schreibsessel dient als Aufsteiger. Das Schreibpult stellt die Maschine vor. In seinem Lerneifer merkt Herr Bimmerl gar nicht, daß das Pult nachgibt und sich bedenklich nach vorwärts senkt. So jetzt eins – zwei – drei – – – – – – – – –

Herr Bimmerl übt das Aufsteigen auf das Hochrad
"Donnerwetter, ist das Velocipedfahren eine gefährliche Geschichte!"