von Emil Kneiß (Zeichnungen) und Richard Braunbeck (Text)
 

Zu Beginn der Motorisierungswelle (um 1900) war es die Aufgabe der Polizei, diejenigen „Autler“, die mit zu hoher Geschwindigkeit durch die Straßen brausten, zu stellen. Es gab noch keine Radarmessgeräte, die aus dem reflektierten Rückstrahl die Geschwindigkeit berechnen konnten.

Kneiß und R. Braunbeck machen sich in dieser Geschichte – aus einem „Schnauferl“ von 1907 –  lustig über diese Polizisten, die mit einem zuvor ungekannten Problem konfrontiert waren.

 

Es ist gut, wenn man diese Gendarmen sortiert in verschiedene Größen und Haarfarben

 

Zur Anlage einer guten und zuverlässigen Automobilfalle, in der man die Autler dutzendweise fängt und entsprechend bestraft, gehören vor allen Dingen Gendarmen. Es ist gut, wenn man diese Gendarmen sortiert in verschiedene Größen und Haarfarben, damit etwas Wechsel in die Sache kommt; die Straferei bleibt sich ja doch immer gleich, und zuletzt würde eine Monotonie entstehen, wenn nicht durch verschiedenartige Gendarmen etwas Abwechslung in die Autlerfangerei gebracht würde.

Sodann suche man eine Straßenpartie, die etwas übersichtlich ist, aber womöglich zu einer Ortschaft gehört, ohne daß man dies sofort erkennt. Hier postiere man einen Gendarmen und zwar so, daß man ihn nicht sieht. Eine Hecke, ein Misthaufen, eine ländliche Klosettanlage usw. bilden gute Verstecke. Wo dergleichen nicht vorhanden, wird gewiß irgendeine Bauernfrau von etwas ausgedehnten Körperformen die Liebenswürdigkeit haben, den Gendarmen entsprechend zu decken.

irgendeine Bauernfrau von etwas ausgedehnten Körperformen
Er muss schwören

 

Es darf nur ein einziger Gendarm auf Posten sein, weil er später schwören muß. Zwei Gendarmen werden zwar im großen ganzen das gleiche beschwören, aber der automobilistische Anwalt könnte leicht den einen davon aus dem Konzept bringen. Wenn bloß einer schwört, kann kein Widerspruch konstatiert werden und die Gerichte glauben einem Gendarmen immer noch mehr als 20 Autlern.

Der in Deckung befindliche Gendarm sei mit einer Uhr versehen. Alte Spindeluhren, sogenannte Familienerbstücke, eignen sich am besten für diesen Zweck. Es ist nicht nötig, daß die Uhr mit einem Sekundenzifferblatt versehen ist. Dagegen ist es schon gut, wenn die Uhr geht, Bedingung ist das aber nicht.

Taschenuhr: Familienerbstück

Es wäre verfehlt, wenn der diensthabende Beamte etwa eine Wanduhr, z.B. eine sogenannte Schwarzwälder Kuckucksuhr zum Zeitnehmen mit sich führen würde. An sich eignet sich ja eine solche Uhr für die polizeiliche Tempobemessung ebenso gut wie eine Spindel-, Sonnen- oder Sanduhr, aber die Autler würde dadurch herausgefordert, immer wieder mit ihrer dummen Behauptung daherzukommen, zum richtigen Zeitnehmen gehöre eine Stoppuhr. Dem hirnverbrannten Sportblödsinn, der einen Unterschied zwischen polizeilicher und sportlicher Tempobestimmung konstruieren will, darf durch eine Kuckucksuhr keine neue Nahrung zugeführt werden.

Es ist von Vorteil, wenn der diensttuende Fallenbeamte mit der in der Nähe hausenden Bevölkerung gute Beziehungen unterhält. Das geschieht am besten durch Augenzudrücken. Wenn ein Bauer auf der falschen Seite fährt, drücke der Beamte ein Auge zu, wenn zwei Bauern einen Radler halbtot schlagen, beide Augen. Das erhält die Freundschaft.

Der Polizist hält sich beide Augen zu
Bauernbuben signalisieren die Herankunft eines Autos

 

Die Bauern und vor allem ihr hoffnungsvoller Nachwuchs werden dadurch dem Fallenbetrieb gewogen und signalisieren dem Fallenbeamten das Herannahen von Automobilen.

 

Wenn ein Automobil naht, greift der Fallen-Gendarm zur Uhr. Er hält sie mit der linken Hand vors rechte Auge. Mit dem linken sieht er nach dem nahenden Auto oder umgekehrt. Schielende Gendarmen, die etwas ums Eck sehen können, eignen sich deshalb besonders für den Fallenbetrieb.

Ist das Automobil in nächster Nähe angelangt, müssen beide Gendarmenaugen fest nach der Nummer spähen und sie dann sofort notieren, um jeder späteren Irrung vorzubeugen. Zeit und Tempobemessung können zu Hause geschehen. Es kommt ja weniger darauf an, ob das Auto zu 400 Metern 28 Sekunden oder zu 28 Metern 400 Sekunden gebraucht hat. Jeder Autler fährt zu schnell und gehört bestraft! Der Fallenbeamte lasse sich also ja nicht von falscher Gerechtigkeitsliebe verleiten, seinen Dienst mißzuverstehen.

Polizist lauert hinter einem Baum
Ein Auto wird durch ein Fuhrwerk zum Umkippen gebracht

 

Ist die Nummer notiert, kann sich der Gendarm ruhig sehen lassen, sofern nicht ein zweites Auto hinter dem festgestellten dreinkommt. In letzterem Fall hat der Beamte sofort wieder sein Versteck zu beziehen.

Sollte die Nummer eines Autos unleserlich sein, winkt der Fallenbeamte etwa zufällig vorausfahrenden Fuhrleuten, damit sie die Straße kreuzen und so das Auto zum Stillstand oder Umkippen bringen. In letzterem Falle können natürlich nur diejenigen bestraft werden, die den Unfall überleben.

Bei besonders rentabeln Fallenbetrieben ist vielleicht zu erwägen, ob nicht ein Arzt und ein Gerichtsnotar in der Nähe der Falle postiert werden sollen. Der Doktor kann dem Autler, dem vielleicht etwas Menschliches zugestoßen ist, den ersten Beistand leisten, das macht immer einen humanen Eindruck; er kann auch in ganz schweren Fällen das Leben des Verunglückten so lange verlängern, bis er seine Strafe bezahlt hat. Der Gerichtsnotar dient dazu, daß die Testamentssporteln dem Staate nicht entgehen.

Der Arzt könnte auch mit einer Zwangsjacke versehen sein. Es ist nämlich schon vorgekommen, daß Autler, die den Nutzen der Autofallen noch nicht eingesehen haben, darüber in Wut geraten sind und entsprechend der Pferdestärke ihrer Wagen zu kollern begonnen haben.

Auto wird mit Dreck(?) beworfen

Gegen den Auto-Koller ist in der Zwangsjacke ein sehr gutes Mittel zu erblicken. Die Anwendung der Zwangsjacke ist auch vom philanthropischen Standpunkt aus begrüßenswerter, als das Impfen mit dem blanken Gendarmensäbel.

Wird ein Autler daraufhin von den erregten Passanten gelyncht, so hat das ja weiter nichts zu sagen.

Wenn alles nichts hilft, um ein davoneilendes Auto zum Anhalten desselben zu bewegen, dann ist ihm schnellmöglichst vorauszutelephonieren, es möge „wegen Tötung von Personen“ angehalten werden. Das macht Effekt und erhöht den Verfolgungseifer. Die Bevölkerung der alarmierten Gemeinden wird sich den Flüchtenden in den Weg stellen und sie in geeigneter Weise zum Anhalten bewegen.

Ein dekorierter Polizist

Bei Strafzahlung ohne Einspruch kann den Autlern ein angemessener Rabatt bewilligt werden.

Gute Autofallenkunden behandle man in so fern mit einiger Nachsicht, als man nicht jedesmal eine verdoppelte Strafe gegenüber der vorigen eintreten läßt. Es genügt, wenn man sie jedesmal mit ein und derselben Strafe, Mark 50 bis 100, belegt, sonst wirken die Bestrafungen abschreckend, und die besten Kunden bleiben schließlich aus.

Tüchtige Fallenbeamte sind von Zeit zu Zeit zu dekorieren, um ihren Eifer zu erhöhen. Ganz besonders bewährte Kräfte können ja zu Autofallwachtmeistern oder Geheimautofallräten ernannt werden.

Für jeden vor Gericht zu leistenden Eid ist den Fallenbeamten eine Extravergütung zu gewähren; für besonders schwierige Eide, die das Gewissen besonders stark belasten, das Doppelte bis Dreifache. Das Solidaritätsgefühl unter den Fallenbeamten ist derart zu stärken, daß sie ganz für einander aufgehen und jeder von dem andern denkt: „Dein Eid ist mein Eid.“

Die Autler sind natürlich für ihre Geschwindigkeitsüberschreitungen streng zu bestrafen und zwar vom Landrate aufwärts nicht unter 100 Mark. Geschäftsleute vom Fabrikanten abwärts zahlen die Hälfte. Für Millionäre, Nabobs, Amerikaner usw. ist ein erhöhter Spezialtarif einzuführen.

Man sei vorsichtig, daß man nicht aus Versehen einen deutschen Prinzen oder Bundesfürsten erwischt Das würde nach oben hin einen schlechten Eindruck machen. Regierende Häupter fahren überhaupt niemals zu schnell, und wenn der Fallenbeamte dennoch glaubt ein Schnellfahren festgestellt zu haben, wird er seine Täuschung zugeben müssen, sobald er den hohen Namen oder Titel des Angehaltenen erfahren hat. In solchem Falle ist es ratsam, wenn der Beamte auf irgendeine Art schleunigst verschwindet und die Falle aufhebt. Eventuell kann er im Abgehen „Hurrah“ rufen.

Ausländische Prinzen usw. können getrost gepackt werden; der Fallenbeamte vergegenwärtige sich nur stets, daß ein deutscher Gendarm mehr ist, als ein Fürst von der unteren Donau oder sonst woher. Serbische oder montenegrinische Fürsten sind auf keinen Fall loszulassen, bevor sie bezahlt haben.

Kann ein angehaltener Autler nicht deutsch, bediene sich der Fallenbeamte der Zeichensprache. Er reibe Daumen und Zeigefinger der rechten Hand an einander was in der ganzen Welt so viel bedeutet als: „Zahlen!“

Er setze dies so lange fort, bis er mindestens 100 Frcs „Kaution“ erhalten hat.

Wenn ein Autler gegen eine Bestrafung Einspruch erhebt und nachweist, daß er an dem betreffenden Tag an dem er notiert wurde, ganz wo anders war, suche man ihn wegen „Täuschung der Behörde“ zu belangen. Die Autofallen dürfen nicht immer am gleichen Fleck in Tätigkeit sein; es muß von Zeit zu Zeit ein Platzwechsel eintreten, sollen sie nicht mit der Zeit wirkungslos werden. Wenn alle Welt über das Bestehen der Falle im Klaren ist, hat man zu gewärtigen, daß Autler mit Pferdevorspann an der Falle vorbeikommen, in welchem Falle man sie dann höchstens wegen „Verspottung der Gendarmerie“ bestrafen kann.

 Am besten ist's, — man sperrt die Himmelsakramenter ein.

Die Zeitungen läßt man krakehlen, und wenn ein autelnder Zeitungsmensch erwischt werden kann, ist er nach extra erhöhter Strafskala zu behandeln, die etwa der dreifachen Höhe des Spezialtarifs für Millionäre usw. entspricht. Wenn es irgend geht, macht man den Zeitungsmenschen wegen Beamtenbeleidigung den Prozeß, denn solche Individuen beleidigen schon durch ihre Existenz die Beamtenschaft.

Am besten ist’s, — man sperrt die Himmelsakramenter ein.