Freiherr Carl Drais von Sauerbronn

Von der Draisschen Laufmaschine bis zur "Torpedo"-Nabe

 

1817 stellte Carl v. Drais seine „Laufmaschine“ einem staunenden Publikum vor. Erst 50 Jahre später zeigte Pierre Michaux auf der Pariser Weltausstellung seine Räder mit Tretkurbeln am Vorderrad. Und weitere 45 Jahre dauerte es, bis das Fahrrad mit der Freilaufnabe von Fichtel&Sachs die Gestalt und Funktion hatte, die wir heute kennen. Emil Kneiß begleitete diese Entwicklung mit vielen Karikaturen.

Zum 100. Geburtstag von Carl v. Drais wurde auch ein Denkmal für ihn geplant, das aber einige Zeit bis zur Verwirklichung benötigte.

Die Drehbarkeit des Vorderrades ist deutlich erkennbar.

Die Erfindung des ersten Laufrads mit lenkbarem Vorderrad wird übereinstimmend Carl Drais von Sauerbronn (1785-1851) zugeschrieben. Auf einem Exemplar, das im Deutschen Museum zu München gezeigt wird, ist die Drehachse des Vorderrads deutlich zu erkennen.

Die Drehbarkeit des Vorderrades ist deutlich erkennbar.

Emil Kneiß zeichnete 1890 die Draisine offensichtlich ohne drehbares Vorderrad. Es ging bei dieser Zeichnung allerdings nur um die Räder, die bei Drais aus Holz und eisenbeschlagen waren.


Da schlenderte auf der Draisine
Der erste Radler durch die Welt,
Das Rad von Holz, der Reif von Eisen,
Es war ein mühevolles Reisen,
Doch die Idee war aufgestellt.

 

Ein noch viel früheres Gefährt schreibt man übrigens in Braunsbedra (Sachsen-Anhalt) dem Stellmacher Michael Kaßler (Cassler) zu. Er soll bereits 1761, also lange vor Drais, ein Gefährt gebaut haben, das auch schon ein lenkbares Vorderrad besaß.

Kneiß zeichnet Carl v. Drais auf seiner Laufmaschine: Drehbarkeit des Vorderrades fehlt

Bei einer „Laufmaschine“ mit starrem Vorderrad wäre der Fahrer stets umgefallen. Die eigentliche Taktik gegen das Umfallen ist nämlich das Fahren von kleinen Kurven, sodass durch die Zentrifugalkraft eine Gegenkraft bewirkt wird. Diesbezüglich hat Kneiß bei seinem Bild des radelnden „Hupfmaier“ sehr gut aufgepasst.

Hier ist Kneiß ein sorgfältiger Beobachter: jeder Radler fährt zunächst kleine Schlangenlinien, die nur mit einem lenkbaren Vorderrad möglich sind

Aus der französischen Zeitschrift „L’Auto-vélo, journal comique & illustré“ (Jahrgang 1897) stammt diese historisierende Karikatur des Zeichners Stick. Sie zeigt, dass man in Frankreich die Draissche Erfindung nachgebaut, aber insbesondere den Lenkmechanismus deutlich vereinfacht hat.

Ein „Savetier“ ist ein Flickschuster.

Französischer Nachbau der Draisine mit verbesserter Lenkung des Vorderrads
In Wörishofen fährt man mit Draisinen, da man so mit nackten Füßen sich von der Erde abstoßen kann.

1900 war die Kneipp-Kur in Wörishofen groß in Mode; darum fragte sich der „Radfahr-Humor“, ob man dort auch Radfahren würde. Kneiß beantwortete die Frage mit „Ja“ und ‚erfand‘ dafür eine neue Form der Draisine. Das Vorderrad ist stets lenkbar!

Man beachte auch die Umrandung mit Schilfkolben im Jugendstil.

Das Baadersche Tretkurbelrad

Die Idee, das Vorderrad einer Draisine mit Tretkurbeln zu versehen, hatte wahrscheinlich schon Joseph von Baader (1763-1835), der ein solches Gefährt dazu benutzte, um von München nach dem weit vor den Toren gelegenen Schloss Nymphenburg zu kommen. Der Grund hierfür dürfte gewesen sein, dass Joseph v. Baader ab 1826 im Schlosspark für Ludwig I. eine Demonstrationsstrecke der von ihm favorisierten „Eisenbahn“ einrichtete. Bei dieser wurden die Wägen zwar auf Geleisen, aber noch mit Pferden gezogen.

Das hier gezeigte Bild zeichnete Emil Kneiß nach dem Original, das 1888 vom Antiquarium der Residenz dem Bayerischen Nationalmuseum übergeben worden war.

Pierre Michaux (oder auch seinem Mitarbeiter Pierre Lallement) wird allgemein die Erfindung der Tretkurbeln am Vorderrad zugeschrieben. Zumindest vermarktete er diese Idee sofort und stellte auf der Pariser Weltausstellung 1867 dieses Gefährt vor. Und er richtete eine Manege ein, in der man das Fahren mit diesen „Michaulinen“ lernen konnte.

Ferner gab es bereits das erste „Fahrradrennen“: Wenige Tage nach dem Ende der Weltausstellung in Paris wurde am 8. Dezember 1867 mit etwa 100 Teilnehmern ein Rennen über 23 Kilometer zum Schloss Versailles veranstaltet.


Und wie von Frankreich ausgegangen

Der Strom, der nimmer stille steht,
kam aus dem Land der neuen Dinge,
Mit Gummireif, von Stahl die Ringe,
Verbessert das Velociped.

Eine Micheline mit Tretkurbeln am Vorderrad
Das "Ordinary" ermöglichte größere Geschwindigkeiten, auch bei unebenen Straßen

James Starley (1830 –1881) entwickelte 1870 die „Michauline“ zum ersten Hochrad weiter. Er vermarktete es unter dem Namen „Ariel“; allgemein hieß ein solches Rad „Ordinary“. Diese Räder wurden als die Krone der Fortentwicklung empfunden.


Das Zweirad, eine Rennmaschine
,Der an Vollendung keine gleicht,
Die Reifen dünn, beinah’ zum Biegen,
Gefällig, leicht und doch gediegen,
Hat seinen Höhepunkt erreicht.

"Umsteigen" "Das heißt Umsteigen, nicht Umwerfen"
"Unter Sturzwellen"
"Gescheitert"
Starley-Safety-Bicycle im "Science Museum" (London)

John Kemp Starley (1854 – 1901), der Neffe von James Starley, kombinierte den bereits bei Tricycles bekannten Kettenantrieb mit der Michauline. Damit wurde der Sturzgefahr bei den Hochrädern vorgebeugt, sodass dieses Rad 1884 als Safety Rover vorgestellt wurde. Wegen der gekrümmten Haltung, die der Fahrer dabei einnehmen musste, wurde dieser Fahrradtyp zunächst abgelehnt. Erst mit der Einführung der Dunlop-Reifen (nach 1888) wuchs die Akzeptanz.

In Deutschland übernahm man das Prinzip, baute aber lieber die Rahmen aus kreuzförmig angeordneten, damals noch massiven Rohren.

In Deutschland setzte man mehr auf einen Rahmen aus gekreuzten Metallstäben

John Boyd Dunlop (1840-1921), war ein schottischer Tierarzt, der nach seiner Ausbildung eine Praxis in Dublin eröffnete und dort bis zu seinem Tode blieb. Er hatte beruflich bereits viel mit Gegenständen aus Kautschuk zu tun und machte sich über 20 Jahre lang Gedanken über die praktische Verwendung von Gummi. So kam er, angeblich wegen der quietschenden Geräusche des Dreirads seines 11-jährigen Sohnes, auf die Idee, die Räder mit einem aufgeblasenen Gummischlauch zu versehen. Der Schlauch wurde noch mit Stoffstreifen aus einem Kleid seiner Frau umwickelt.

Am 7. Dezember 1888 meldete Dunlop das Patent für den ersten Fahrradluftreifen an; er erhielt dieses allerdings nicht, da schon 40 Jahre zuvor sein schottischer Landsmann Robert William Thomson ein „Aerial-Wheel“ erfunden und dieses hatte patentieren lassen. Da dieses Patent bereits abgelaufen war, konnte sich Dunlops Erfindung rasch über den Kontinent und die Vereinigten Staaten ausbreiten. Mit den Dunlopschen „Pneumatics“ begann der endgültige Siegeszug des Fahrrads, aber auch des Automobils.

Ein Radfahrer auf einem Rover mit Kreuzrahmen, aber auch Dunlop-Pneumatics


Das Zweirad sinkt von seiner Höhe,

Die Räder werden gleich und klein,
So fährt auf luftgefüllten Reifen
Man sanft, um sich nicht anzugreifen,
Ins zwanzigste Jahrhundert ein.

Der Engländer G.P. Mills gewinnt mit einem Humber-Rad die erste Radfernfahrt Paris-Bordeaux.

Von Thomas Humber stammte seit 1890 die endgültige Bauweise des Fahrradrahmens: ein Trapez und und ein Dreieck, fälschlicherweise Diamantrahmen genannt. Der Engländer G.P. Mills gewann 1891 mit einem Humber-Rad die erste Radfernfahrt Paris-Bordeaux.

Fichtel&Sachs in Schweinfurt entwickelten die Freilaufnabe (1894) und später diese mit Rücktrittbremse (1903).

Fritz: Torpedo ist die beste Freilaufnabe der Welt, von Fichtel und Sachs in Schweinfurt

Ein Denkmal wollen sie ihm setzen,
Ihm, der das erste Rad erdacht,
Doch wä’r es fast in tausend Fetzen
Durch ihres Eifers Sturm zerkracht.

Nach Mannheim wollen es die Einen,
Wo er gelebt so manches Jahr,
Die Andern es nach Karlsruh‘ wollen,
Wo einst des Freiherrn Wiege war.

Hier muß es her, so hört man rufen,
hier ist allein der rechte Ort!
Nein! ruft man von der andern Seite,
Der rechte Platz ist einzig dort!

„Gemach!“ sprach Hindenburg der Alte,
Zum Streiten ist noch lange Zeit.
Erst spendet eure Opfergaben
Und thut nach eurer Schuldigkeit.

Wo ihm dereinst ein Denkmal raget,
Es bleibt im Grunde sich ja gleich,
Wenn wir nur erst die Gelder haben,
Platz ist genug im deutschen Reich!

Carl Hindenburg war der erste Präsident des 1884 gegründeten „Deutschen Radfahrer-Bundes“.

Der Streit um das Drais-Denkmal

Der 100. Geburtstag des Freiherrn Carl v. Drais wäre bereits 1885 gewesen, aber zu diesem Zeitpunkt war man sich dieser epochalen Erfindung wohl noch nicht gänzlich bewusst. Oder dieser Plan scheiterte an dem Streit der Stadt Karlsruhe, wo Drais geboren worden war, mit der Stadt Mannheim, wo Drais seine „Laufmaschine“ erfunden und vorgeführt hatte. Außerdem stritten dann noch der „Deutsche Radfahrer-Bund“ und die „Allgemeine Radfahrer-Union“ darum, wer das Denkmal nun gestalten dürfe. Das Denkmal wurde schließlich am 24. September 1893 in Karlsruhe aufgestellt. Auf der Rückseite des Denkmals steht:

DEM BEGRÜNDER
DES RADFAHRSPORTS
IN DANKBARER VEREHRUNG
GEWIDMET
DEUTSCHER
Rad-Fahrer
BUND
ALL HEIL

„Siehst du, lieber Karl, das ist das Drais-Denkmal, welches der „Deutsche Radfahrer-Bund“ errichtet hat.“

„Da ist ja gar kein Velociped dabei.“

„Ach, den andern Teil mit dem Velociped wird nun, wie ich höre, die „Allgemeine Radfahrer-Union“ setzen lassen!“

 

Vater und Sohn vor dem Drais-Denkmal in Karlsruhe

Für die zunehmende Verfolgung der Radfahrer durch die Polizei rief Kneiß hier sowohl Friedrich v. Schiller wie auch den Freiherrn v. Drais zu Hilfe. Das Original bei Schiller aus dem Gedicht „Der Alpenjäger“ lautet:


Und mit seinen Götterhänden

Schützt er das gequälte Tier.
„Mußt du Tod und Jammer senden“,
Ruft er, „bis herauf zu mir?
Raum für alle hat die Erde,
Was verfolgst du meine Herde?“

Die „Heilige Hermandad“ ist eine ironische Umschreibung der „ländlichen Polizei“; ursprünglich war sie im MIttelalter eine spanische Polizeiorganisation.

Drais ruft einem Polizisten zu: "Raum für alle hat die Erde, was verfolgst du mein Geährte?"
"Nach berühmtem Muster" Drais als Erzengel (Michael) erklärt den Vertretern der Radfahrnationen "Wahret Euere Rechte!"

Nach berühmtem Muster

Freiherr v. Drais ruft den Vertretern von A.R.U., D.R.B. und B.d.R.Oe, ferner den allegorischen Vertretern Frankreichs, Italiens, Englands und Belgiens zu, diese sollten „ihre Rechte waren“, denn von Seiten der polizeilichen Ordnungsgewalt drohten Fahrverbot und Fahrradsteuer.

Die Frage, was hier denn „das berühmte Muster“ war, konnte mit Hilfe von Wikipedia geklärt werden.

1895 war dieses Bild, betitelt „Völker Europas, wahret Eure heiligsten Güter„, in allen „besseren“ Kreisen bekannt. Nach einem Entwurf Kaiser Wilhelms II. war es durch den Maler Hermann Knackfuß ausgeführt worden. Der Kaiser übereignete dieses Bild wiederum seinem Cousin Zar Nikolaus II. Die dargestellte Szene gab zu zahlreichen (karikaturistischen) Veränderungen Anlass.

Wilhelm II. wollte damit die europäische Christenheit zum gemeinsamen Kampf gegen die Gelbe Gefahr bzw. den gottlosen Buddhismus aufrufen. Buddha erscheint am rechten Rand über einer drohenden Gewitterwolke.

Erzengel Michael zeigt den Allegorien Frankreichs, Deutschlands, Russlands, Österreichs, Italiens und Großbritanniens die drohende Gefahr aus dem Osten.
Eine russische Postkarte des Knackfuß-Bildes mit "Widmung" Wilhelms II.

Diese farbige, russische  Postkarten-Ausgabe des Knackfuß-Bildes lässt neben einer Widmung des Kaisers deutlich den Hinweis auf das Kreuz des Christentums erkennen. Ferner ist zu sehen, dass Buddha auf einer Rauchwolke thront, die aus einem Flächenbrand entsteht.